Das Start-Up Lyto bietet online personalisierte Print-Produkte für eine junge Klientel an, die Baby- oder Hunde-Motive oder besondere Momente auf Poster festhalten wollen - gedacht als Geschenke oder Gags. Die Multi-Marken-Gruppe setzt auf Masse und auf Menschen, die in sozialen Medien wie Tik Tok unterwegs sind. Die bestellen spontan und schnell, innerhalb von 30 Sekunden; so zumindest lautet die Regel von Lyto. Ohne Künstliche Intelligenz ist das nicht zu machen. Die soll die Geschäftsprozesse schnell und damit schwer kopierbar machen. Generativ wird KI auch einmal individuelle Vorlagen möglichst präzise und authentisch produzieren - und weitere Geschäftsfelder erschließen.
27. September 2023 - Von Rüdiger Köhn, München
Bei den von Lyto angebotenen personalisierten Print-Produkten muss der Kunde kreativ sein und sich vor allem genau überlegen, was er online bestellt; denn Retouren sind bei solchen Produkten tabu. Wie aber passt das mit der Grundphilosophie des 2021 in Düsseldorf gegründeten Start-Ups zusammen - und vor allem mit der Zielgruppe? Die meisten Bestellungen von individuellen Fotos, Poster und Karten der angebotenen Print-Marken „famwalls“, „Mein Babyposter“, „heybalu“ und „Printly“ kommen von jüngeren Kunden, deren Alltag soziale Medien mitbestimmen: Facebook, Youtube, Instagram, Twitter (heute X), Pinterest, Flickr, Snapchat, Whatsapp - und insbesondere Tik Tok. Menschen, denen es nicht schnell genug gehen kann, in Netzwerken mit Wortfragmenten meist ohne Vokale zu kommunizieren oder einfach kommentarlos Fotos oder sekundenlange Videoschnipsel zu verbreiten.
Niklas Mallmann Fotos Lyto
Für Niklas Mallmann ist das Verhalten seiner Zielgruppe - Generation Y, GenZ und demnächst GenAlpha - ein wesentlicher Bestandteil des Geschäftsmodell. Es erschließt sich ein riesiges Marktpotential von jungen Impuls-Käufern. „Wir haben eine Regel“, sagt der 32 Jahre alte Geschäftsführer und Mitgründer von Lyto, das er mit Lars Klein, 26 Jahre, aufgebaut hat. „Die Personalisierung der Fotos und Vorlagen im Online-Portal sollte möglichst in 30 Sekunden abgeschlossen sein.“ So zumindest ist die Plattform ausgerichtet. Wenig überraschend ist das Unternehmen nur in sozialen Kanälen unterwegs. „Wir haben zu mehr als 90 Prozent mobilen Traffic.“ Der wichtigste Akquisitionskanal ist zurzeit Tik Tok.
„Die Aufmerksamkeitsspanne ist kurz“, weiß Mallmann und grenzt Lyto so von den „traditionellen“ Anbietern wie Cewe, poster XXL oder myposter ab; dort nehmen sich Kunden Stunden Zeit, um etwa ihr persönliches Album zu komponieren. Das Düsseldorfer Start-Up bietet verschiedene Konfigurationen und Werkzeuge an, mit denen Kunden schnell Personalisiertes bauen können. Dabei sind nur rund die Hälfte der Orders Fotos. Genauso können hochgeladene Schriftzüge oder Retro-Zeichnungen den Bedürfnissen und Wünschen angepasst werden, die unter Umständen noch von Designern zu bearbeiten sind. Smartphone-Hüllen, Fressnäpfe oder Socken lassen sich ebenso mit Wunschmotiven bedrucken. Ziel sei es, die Eingaben für die Order so schnell wie möglich zu machen. Um das Maximum herauszuholen, müsse entsprechende Technologie eingesetzt werden, die aus dem „Input eines Kunden“ - nämlich Fotos oder Daten, die visualisiert werden sollen - anzureichern oder zu verfremden. Am Ende soll daraus ein „cooles Motiv“ herauskommen und die Herzen von jungen Menschen, Paaren oder Eltern mit Hochzeits-, Baby- und Tierbildern zu erwärmen.
Im Mittelpunkt stehen Bilder, die durch zusätzliche angebotene Features angereichert werden können. Genauso ist möglich, durch Eingabe bestimmter Daten originelle, ungewöhnliche Motive zu kreieren; wenn es zum Beispiel darum geht, Leistungsdaten eines Triathleten zu visualisieren. Niklas Mallmann etwa kam auf die Idee, seiner damaligen Lebensgefährtin und heutigen Ehefrau zum Geburtstag ein Poster zu schenken, auf dem eine Fülle von Emojis abgebildet sind, die beide in ihrem WhatsApp-Chatverlauf benutzt haben; einschließlich statistischer Daten, wie häufig welches Emoji von wem verwendet worden ist. Daraus ist ein Infografik-Poster unter Acrylglas geworden - ein sehr persönliches Gag-Geschenk
Die Kernzielgruppe sind 18- bis 40-Jährige, wobei „Couple-Produkte“ (Aufnahmen zu zweit) vor allem von der Altersgruppe 18 bis 25 Jahre gefragt sind, Baby- und Hochzeitsbilder eher von 25-jährigen aufwärts bestellt werden. Einen Grund für den Multimarken-Ansatz hat Mallmann damit schon genannt: „Wir sprechen mit einem Produkt nicht nur eine Zielgruppe an, sondern sind mit vielen, auch weiter ausbaubaren Angeboten flexibel." Die Branchen, in der Lyto präsent ist, nennt sich „Print-on Demand“. Dieser Markt habe in den zurückliegenden fünf Jahren einen Boom erlebt, ein Kontrast zum „Web-to-Print“ der Nuller-Jahre, als Unternehmen wie Cewe als Fotodruckanbieter ihren Boom erlebt haben.
Verewigter Chatverlauf von Niklas Mallmann
„Wir sprechen die breite Masse an, die sich ein bezahlbares personalisiertes Produkt leisten kann“, sagt der Lyto-Geschäftsführer. Der durchschnittliche Bestellwert liegt zwischen 35 und 45 Euro. Couple- oder Ereignisfotos für jüngere sind erschwinglicher, Baby-Poster sind wegen der meist bestellten größeren Formate teurer. An Spitzentagen und um besondere Ereignisse wie Weihnachten, Mutter- oder Vatertag und Valentinstag herum kommen mehr als 3000 Bestellungen am Tag herein, zu 90 Prozent von Neukunden. Bislang hat Lyto mehr als 150.000 Kunden bedient. Zwischen 60 und 70 Prozent der Orders werden als Geschenke verkauft.
Das Ziel ist ehrgeizig: „Bis 2026 wollen wir jährlich eine Million Haushalte mit unseren Produkten bedienen.“ Im vergangenen Jahr, etwas mehr als zwölf Monate nach Aufnahme der operativen Geschäfte im September 2021, sei der Umsatz „siebenstellig“ gewesen. Nächstes Jahr soll er „achtstellig“ werden; „und in diesem Jahr so in der Mitte liegen“, grinst er und bleibt vage. 2023 solle das Jahr werden, in dem Lyto erstmals profitabel arbeite. Aus den eingenommenen Mitteln stemmen die Gründer den Aufbau, einschließlich des selbst eingebrachten Kapitals sowie das von kleineren Angel-Investoren.
Lars Klein (links) und Niklas Mallmann
Lyto und die derzeit 14 Mitarbeiter konzentrieren sich auf das Produktdesign um die Personalisierung, den Auf- und Ausbau des Online-Shops sowie der Marken, auf das notwendige Sammeln von Kundenerfahrungen und -daten. Für die Herstellung arbeiten sie mit etlichen Druckpartnern zusammen. Die Lieferkette muss reibungslos laufen und perfekt organisiert sein. Denn: Wer innerhalb von nur 30 Sekunden bestellt, kann schließlich auch schnelle Lieferung erwarten. Binnen drei Tagen soll das individualisierte Kunstwerk beim Kunden sein. Der Charme des Lyto-Modells besteht nicht nur darin, dass das im Online sehr lästige Retourenproblem wegfällt; es ist auch keine komplizierte, kapitalaufwendige und damit kostenintensive Warenvorfinanzierung nötig, da Bestellungen sofort bezahlt werden. „Das ist ein großer Vorteil, weil wir uns damit auf das Kerngeschäft und auf unsere Kompetenzen konzentrieren können.“
Womit Künstliche Intelligenz (KI) ins Spiel kommt. Sie ist für Lyto gleich von doppelter Bedeutung; zum einen für das operative Geschäft, zum anderen für das Produktangebot. „Transaktional“, wie Mallmann sagt, gehe es um die Automatisierung der Prozesse, wofür eine eigene Software gebaut worden sei und weiterentwickelt werde. Bestellungen, flexible Dispositionen bei den Partnerdruckereien, Rechnungen und Inkasso könnten daher sofort bearbeitet werden. Im Bestellvorgang soll KI mögliche Anomalien von eingereichten Bildern oder in Daten erkennen, die schließlich Grundlage für das personalisierte Produkt sind.
Original und Portrait mit heybalu
Das alles beschleunige die Vorgänge und stelle die erforderliche Qualität sicher. „Darin müssen wir gut sein“, sagt Mallmann. „Der Umsatz kommt hauptsächlich über die Menge rein, da wir nun einmal nicht teure Bilder verkaufen.“ Mit eigenen Werkzeugen der KI-Automatisierung könnten so viele Aufträge ohne großen Wasserkopf abgewickelt werden, sei das ein Alleinstellungsmerkmal für die Mehrmarken-Gruppe Lyto.
Der für ihn kreative und spannendere Teil jedoch ist, wie sich KI in der Generierung neuer Produkte einsetzen lässt. Mit der generativen KI, so seine Vorstellung, soll man aus einem Bild ein anderes oder ein neues Motiv entstehen - „Image to Image“, wie es heißt. Hier befindet sich Lyto erst in den Anfängen und versucht sich nun zunächst an der Marke heybalu. Bislang wird ein Foto etwa eines Hundes vom Kunden hochgeladen. Um es zu bearbeiten oder zu verfremden, müsste es von einem Designer nachgezeichnet werden. Um das skalieren zu können, soll KI aus dem Hund ein besonderes, individuelles Portrait erstellen - und wenn es ein Ölgemälde ist. In der Basisvariante funktioniere das schon, sagt Mallmann.
Original...
KI könnte nicht irgendeinen Labrador abbilden, sondern genau den des Kunden mit all seinen Eigenheiten. Herausfordernd könnte da ein Dalmatiner werden. Wenn es ein einmalig echtes Portrait sein soll, muss die Software jeden einzelnen Flecken detektieren und zeigen. Das gilt für alle individuelle Merkmale am Kopf oder Körper. Dazu sind Unmengen an Daten zu sammeln, und wenn es um das Erfassen aller möglichen Hundebilder geht. „Wenn wir eine generative KI für unsere Anwendungen entwickelt haben, eröffnet sich ein großes Potential“, sagt Mallmann. Er hofft, in sechs bis zwölf Monaten erste Produkte einführen zu können. Für die Entwicklung hat das Start-Up staatliche Förderung erhalten.
... und Poster mit famwalls
Es ist Lars Klein gewesen, der mit dem Gedanken der Künstlichen Intelligenz im Hinterkopf im März 2020 Lyto gründete. Der Techie schon in Jugendzeiten und der IT-Experte hatte da schon in sieben Jahren mit der Entwicklung von KI reichlich Erfahrungen gesammelt. Als Chief Product Officer hat er das KI-Start-Up helpcheck mit aufgebaut, das juristische Klagen und Rechtsverfahren automatisiert und mit KI bearbeitet (siehe: „Helpcheck: Ein Algorithmus geht vor Gericht“ vom 13. September 2022 https://www.passion4tech.de/blog/helpcheck-ein-algorithmus-geht-vor-gericht). Rund eineinhalb Jahre hat Klein Lyto quasi als Hobby neben seinem Job bei helpcheck bestritten und mit Mein Babyposter große Resonanz erzielt. Dann fiel die Entscheidung, das Onlineshop-Konzept mit mehreren Marken aufzuziehen, was aber nicht mehr nebenher und vor allem nicht alleine zu stemmen gewesen ist.
Niklas Mallmann kam vor genau zwei Jahren im September 2021 als Geschäftsführer und als Mitgründer hinzu. Zu jenem Zeitpunkt nahm das Projekt Lyto erst richtig Fahrt auf. Nach seinem Master im Management und in Betriebswirtschaftslehre an der WHU - Otto Beisheim School of Management fing er 2017 in der Unternehmensberatung Accenture an. Seine Neigungen konnte der Strategieberater indes nicht ausleben. „Ich bin immer zwischen Unternehmertum und Kreativität unterwegs gewesen.“. Das Thema Gründung habe ihn immer schon gereizt; Tech-affin sei er auch. Interesse für Kunst und Kultur hat er eh seit jeher gehabt. Schließlich komme er aus der Musik, sagt der Bass-Gitarrist, der mit der Indie-Rock-Band PDR viel auf Tour gewesen ist, die er 2006 mit seinem Bruder gegründet hat und sogar einen Auftritt im Morgenmagazin von ARD und ZDF hatte.
Poster mit Baby in Originalgröße
Mallmann hat Musik für Fernseh- und Radiowerbung oder Imagevideos komponiert, für BMW und Redbull zum Beispiel - hat so sein Bachelor-Studium finanziert. Die Geduld jedoch, über viele Jahre eine Firma in diesem Metier aufzubauen, habe er nicht gehabt, weshalb es ihn zur Unternehmensberatung zog. Parallel gründete er immerhin Kunst100, eine Online-Kunstgalerie, die Künstler und Kunstliebhaber mit digitaler Kunst zusammenbringt.
Über Kunst100 ist Mallmann 2021 mit Lars Klein in Kontakt gekommen. Die Gründerszene im Rheinland sei nicht sonderlich groß, aber sehr intensiv und gut vernetzt. Klein hat Leute gekannt, denen wiederum Mallmann ein Name gewesen ist; ihre Netzwerke überlappten sich, ohne sich bis dahin tatsächlich über den Weg zu laufen. Der Kontakt sei letztlich über einen befreundeten Unternehmer in Recklinghausen zustande gekommen, der von Lars Klein erzählt habe. Beide fanden sofort einen Draht zueinander; angespornt durch die gleichen Visionen, die sie hegen.
Fiete als Model für Socken
Womit in diesem kleinen Netzwerk auch Peer Schulz ins Spiel kommt, der Gründer von helpcheck, bei dem sich Lars Klein eingebracht hat. Schulz, 34 Jahre, ist zwar operativ in Lyto nicht eingebunden, tritt aber als „Co-Founder“ auf, berät und fädelt auch Kontakte zu Privatpersonen oder Family Offices als potentielle Geldgeber ein. Im Moment kann Lyto den Aufbau noch selbst stemmen. Doch die Pläne sind ehrgeizig. Derzeit in Deutschland, Österreich und der Schweiz im Markt, richtet Mallmann den Blick schon auf den englischsprachigen Raum mit Großbritannien, USA und Australien, wenn denn dort entsprechende Druckpartner gefunden werden und ein Liefernetzwerk aufgebaut werden kann. Auch die skandinavischen Länder hat er im Blick.
Große Sprünge in die Internationalisierung sind indes ohne Finanzierungsrunden kaum möglich. Erste Kontakte hat Mallmann bereits geknüpft, zu Family Offices etwa. Dabei kann KI noch mehr zum wichtigen Hebel in der Gründerstory von Lyto werden. Sie öffnet neue Marktsegmente. Alle Themen seien denkbar, mit der die breite Masse adressiert werden könne; Familie, Sport, Hobby oder Auto. Als nächste neue Marken-Kreation kann sich der Gründer etwas aus dem Sport vorstellen.
Sicherlich sei das Modell durch Konkurrenten kopierbar, konzediert Niklas Mallmann, zumindest im ersten Schritt. Schwieriger werde es mit dem Kopieren, wenn es um Skalierung, Automatisierung und Qualität gehe, damit das Massengeschäft in der Welt der Massen-Sozialmedien im hohen Tempo bewältigt werden kann, und das profitabel. „Das wird nicht trivial sein“, sagt er. Und fügt hinzu: „KI wird dabei ein sehr effizienter Motor sein, auch um noch mehr Marken aufbauen zu können.“