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07 Aug
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Außer Kontrolle geratene Großbrände auf Rhodos, in Algerien oder in Brandenburg in diesem Sommer machen Brandbekämpfung, besonders die Früherkennung von Feuerherden mehr denn je notwendig. Studierende der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) haben das Projekt Evolonic entwickelt. Das ist eine Drohne, die große Waldflächen beobachtet, Brandherde, ja sogar Rauchschwaden detektiert und aus der Luft in Echtzeit wichtige Daten für Löscheinsätze am Boden übermittelt. Sie kann Prognosen über den Verlauf des Feuers erstellen. Ohne künstliche Intelligenz geht das nicht.

München, 7. August 2023 - Von Rüdiger Köhn

Night Fury fliegt ziemlich schnell, 60 Kilometer in der Stunde und mehr. Sie ist in der Lage, kleinste Brandherde aus einer Höhe von 100 bis 120 Meter zu erkennen. Dazu überfliegt die filigrane, elektrisch angetriebene Drohne mit rund 100 Kilometer Reichweite Waldgebiete und kann mit der empfindlichen RGB-Kamera mit Infrarot-Technik sowie einer Wärmekamera Rauchschwaden oder kleine Feuerherde im Frühstadium ausfindig machen. Die Recheneinheit an Bord des neun Kilogramm schweren Flugkörpers (plus zwei Kilogramm Zuladung) wertet die ermittelten Bilddaten mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI) direkt an Bord aus und leitet die analysierten Informationen an die Rettungskräfte am Boden weiter. Night Fury kann bei einer Akku-Laufzeit von einer Stunde mindestens 30 Minuten von Beginn einer Alarmmeldung über dem Brandort verharren, um wichtige Informationen für den Einsatz an die Leitzentralen der Feuerwehr in Echtzeit bereitzustellen. Ein wesentlicher Bestandteil der studentischen Initiative Evolonic ist dabei die Prognose von Brandverläufen. Neben ausgewerteten Bildern der beiden Kameras halten zahlreiche Sensoren Daten über Windgeschwindigkeit und -richtung, Temperatur sowie Luftfeuchtigkeit bereit, reichert diese mit gespeicherten Profilen des Geländes (Gefälle, Bodenbeschaffenheit, Zustand des Waldes) an und kann so die Ausbreitung des Feuers errechnen.

Was 20 Studentinnen und Studenten in Erlangen entwickelt haben, gibt es so im realen Einsatz noch nicht. Und ihre Aufgabe könnte noch mehr als die Früherkennung von Waldbränden sein, zudem Waldbestandsanalysen vornehmen oder Borkenkäfer-Plagen ausfindig machen. „Wenn man den Wald schon von oben absucht, kann man die Suche nach Käfern und Schadbäumen doch gleich mitnehmen“, sagt Tobias Raczok, Mitinitiator des Projektes. Das später einmal autonom fliegende Drohnensystem solle, gefüttert mit umfangreichen Daten, den größten Teil der Arbeit selbst erledigen, ohne dass vom Boden eingegriffen werden muss. „Da ist es am effektivsten, wenn ein starker Rechner an Bord auch selbstständig hinzulernt, um alle Informationen miteinander zu verknüpfen und auszuwerten.“ Die Bilderkennung sei gar nicht die größte Herausforderung, sondern das Zusammenwirken von Live-Bildern und Ortsinformationen mit daraus abgeleiteten zu ergreifenden Maßnahmen am Boden.

                                                  Tobias Raczok                                                            Fotos Evolonic

Tobias Raczok, 24 Jahre, macht an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) gerade seinen Master in Mechatronik. Die Masterarbeit - wen wundert´s - hat das Forschungs- und Entwicklungsprojekt von Evolonic zum Inhalt hat. In diesem nimmt der angehende Absolvent die operative Verantwortung. Projekt- und Technikleiter ist Adrian Sauer, 30 Jahre, ebenfalls Mechatroniker, der sein Studium in Erlangen schon abgeschlossen hat. Beide stehen an der Spitze des Teams, das seit 2017 die Langstrecken-Drohne entwickelt. Die unterschiedlichsten technischen Disziplinen haben sich zusammengefunden: Maschinenbau, Wirtschaftsingenieurwesen, Elektrotechnik, Informatik, Mechatronik, Nanotechnologie, Werkstoffwesen.

Evolonic, TUM Hyperloop, Horyzn, TUM Boring

Evolonic ist eines von zahlreichen Initiativen an Universitäten, in denen Studierende eine praxisorienterte Forschung und Entwicklung selbst in die Hand nehmen, um ihr theoretisches Wissen zu erweitern. Die Erlanger tüfteln mit bislang eher wenig Aufmerksamkeit, obwohl sie schon zwei Drohnen-Wettbewerbe gewonnen haben; anders als die Kommilitonen der Technischen Universität München (TUM), wo es TUM Hyperloop mit ihrer entwickelten Kapsel für ein futuristisches Tunneltransportsystem in Schallgeschwindigkeit oder Horyzn gibt, bei dem TUM-ler eine Rettungsdrohne entwickelt haben. Oder TUM Boring, das ein Tunnelbohrsystem entwickelt, das einmal für den Bau von Hyperloop-Röhren eingesetzt werden könnte.

                                             Adrian Sauer

Wie TUM Hyperloop hat TUM Boring mehrfach internationale Wettbewerbe gewonnen, die von Elon Musk als Ideengeber von Hyperloop ausgetragen hat. Das FAU-Projekt könnte nun aus dem Schatten der Münchner heraustreten. Denn in dieser Woche stellt das Team in Erlangen im Beisein von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) als oberster Sicherheitschef auch in Sachen Brandbekämpfung ihre Entwicklung offiziell vor.

Auch wenn TUM Hyperloop von der bayerischen Staatsregierung unter Ministerpräsident Markus Söder (CSU) immer wieder öffentlichkeitswirksam gehypt wird: Bei allen technischen Errungenschaften und Erfolgen handelt es sich um weit in der Zukunft liegende Vorhaben, von denen man nicht weiß, ob und wie sie am Ende realisiert werden können. Ähnlich ist es um TUM Boring bestellt, dessen Idee auf dem Hyperloop-Transportsystem basiert, ein Einsatz im allgemeinen Tunnelbau jedoch zumindest denkbar erscheint. Vergleichbar hinsichtlich konkret absehbarer Anwendungen ist Evolonic indes mit dem Horyzn-Projekt, das vor drei Jahren mit dem Bau eines elektrisch angetriebenen Senkrechtstarters - genannt eVTOL (electrical Vertical Take Off Landing) - begonnen hat. Die autonom fliegende Rettungsdrohne soll einen Defibrillator zu einem herzkranken Patienten fliegen, um Soforthilfe zu leisten, bevor der Rettungswagen eintrifft. (siehe „Horyzn: Neue Horizonte" vom 17. Mai 2023; https://app.site123.com/blog/horyzn-neue-horizonte?w=4358018)

Ähnlich Evolonic. In der nächsten Sommer- und Brandsaison 2024 könnte es im realen Einsatz getestet werden. NF3 - Night Fury Version 3 - steht dafür bereit. Das aus Carbonfaser verstärkten Verbundstoff (CFK) bestehende eVTOL mit vier Motoren für den Auftrieb und einem Motor für den Vortrieb hat nur an der Nasenspitze eine Kappe aus Glasfaser, unter der Sensoren, Rechen- und Kommunikationseinheiten verbaut sind.

                         Night Fury - Version 3

Erst im vergangenen Jahr kam die Gruppe auf das konkrete Anwendungsmodell der Früherkennung und Bekämpfung von Waldbränden - und hat einen Nerv der Zeit getroffen. „Wir erzeugen einen gesellschaftlich relevanten Nutzen“, sagt Raczok. Sich häufende, unkontrolliert lodernde Waldbrände machen Früherkennung und Prävention notwendiger denn je. Brandkatastrophen im Mittelmeerraum (Griechenland, Italien, Algerien) als Folge des Klimawandels erreichten in diesem Sommer einen neuen Höhepunkt. Dagegen nahmen sich die schweren Feuer in Brandenburg im Ausmaß fast bescheiden aus, wo schon im vergangenen Jahr - neben Sachsen-Anhalt - verheerende Brände außer Kontrolle geraten waren. Durch die zunehmende Trockenheit werden Feuergefahren in den nächsten Jahren noch zunehmen. 2022 verursachten knapp 4300 Hektar vollständig verbrannte Waldflächen in Deutschland erhebliche Schäden für Wirtschaft und Umwelt. Europaweit zerstörten 2600 Feuer eine Fläche von fast 772.000 Hektar. Wald- und Vegetationsbrände selbst verursachen ihrerseits fünf bis zehn Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Ein Teufelskreis.

Projekt mit Fraunhofer und Feuerwehr  

Das Konzept von Evolonic wurde mit den Feuerwehren in Erlangen und Nürnberg entworfen, die das Team fachlich unterstützen. Ursprünglich war das vor sechs Jahren begonnene Projekt zum Bau einer senkrechtstartenden Langstreckendrohne ersonnen, ohne aber konkret über Anwendungsfälle nachzudenken. Sie nahmen 2020 mit ihrem ersten Konzept am New Flying Competition (NFC) in Hamburg teil. Bei dem internationalen Drohnen-Wettbewerb der Hamburger Universität für angewandte Wissenschaften errangen sie unter sieben Teilnehmern den ersten Platz. Horyzn aus München, zu jenem Zeitpunkt bereits mit dem konkreten Konzept einer Rettungsdrohne unterwegs, war ebenfalls dabei und landete auf dem zweiten Platz. Die Erlanger erkannten durch die erfolgreiche Teilnahme die Vorzüge ihrer Night Fury. Die spielten sie zwei Jahre später bei dem nächsten NFC-Wettbewerb mit höheren Anforderungen abermals aus: Die Titelverteidiger setzten sich wieder gegen die Konkurrenz aus Australien, China, Mexiko, Dänemark, Serbien, Tschechien und Deutschland durch. Sie präsentierten das mit Abstand leichteste eVTOL, mit mindestens drei Kilogramm weniger Gewicht als die der Wettbewerber.

     Das FAU-Team Evolonic

„Wir haben nach dem ersten Wettbewerb schon festgestellt, dass wir eine sehr effiziente Drohne gebaut haben und suchten daraufhin nach Anwendungsfällen“, sagt Raczok. Ihnen schwebte der Einsatz in der Landwirtschaft vor, etwa zur Detektion von Rehkitzen, die bei Ernten gefährdet sind. Das sei jedoch „suboptimal“ gewesen. Denn Night Fury kann weite Bereiche abfliegen, und das ziemlich rasant. Felder seien zu klein, langsame Flugmanöver geboten. Aufgaben, die handelsübliche kleine Quadrocopter genauso übernehmen könnten. Überwachungen von Stromleitungen wurde ebenfalls in Betracht gezogen. Doch damit nähere man sich den urbanen, dichter besiedelten Regionen, was hohe Sicherheitsvorkehrungen verlangt.

Evolonic gibt ein Beispiel, wie evolutionär derartige Projekte an Universitäten sein können. Das Vorhaben unterscheidet sich von den Initiativen wie an der TU München. Denn hinter dem FAU-Projekt steht das Fraunhofer-Institut für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie (Fraunhofer IISB) in Erlangen. Evolonic ist schon das dritte Projekt, das die Einrichtung der Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung initiiert hat und unterstützt, um Studierenden neben der universitären auch eine praxisnahe Ausbildung zu ermöglichen.

Zuerst Ecocar, dann Elmo, nun Evolonic

Im ersten Vorhaben ging es 2008 um die Entwicklung eines elektrisch angetriebenen Autos (Ecocar); zu einer Zeit, als das Thema in Deutschland noch nicht en vogue war, während Elon Musk bereits seine Idee von Tesla umsetzte und im selben Jahr den ersten serienfertigen Roadster auf den Markt brachte. Nach Ecocar folgte Elmo, die Entwicklung eines Elektromotorrades. Als dieses Vorhaben 2017 abgeschlossen war, sollte sich eine Studentengruppe dem Aufbau einer Leistungselektronik für die Luftfahrt widmen. Adrian Sauer und Tobias Raczok haben die Chance ergriffen und bildeten den Kern des kleinen, jungen Teams. Durch Zufall sind sie auf den Drohnenwettbewerb NFC in Hamburg gestoßen. Der Sieg hat die Ambitionen geschürt: „Das hat uns in die Richtung getrieben, wo wir heute sind, erinnert sich Raczok.

     Das Horyzn-Team der TU München                                                                                                        Foto Horyzn

Dass die offizielle Präsentation von Evolonic in dieser Woche nicht so abläuft, wie man es sich erhofft hat, liegt - wenig überraschend - an der deutschen Bürokratie. Ein Testflug jedenfalls kann nicht gezeigt werden. Zwar ist die Zulassung unbemannter Transportdrohnen außerhalb der Sichtweite eines Piloten - also die Fernsteuerung oder das autonome Fliegen - durch neue gesetzliche Regelungen erleichtert worden. Doch davor steht erst einmal die sogenannte BVLOS-Genehmigung (BVLOS - Beyond Visional Line of Sight), vergeben durch das Luftfahrtbundesamt. Und die haben die Erlanger immer noch nicht, obwohl die Drohne flugbereit ist. „Wir können nur sehr viel eingeschränkter testen, als es geplant gewesen ist“, beklagt Raczok die langwierigen Verfahren bei den Behörden. Anfang des Jahres eingereicht, warten sie nach wie vor auf das Okay, dauert die Bearbeitung der Anträge statt bislang 20 Wochen nun wegen der Antragsflut 40 Wochen. Ziemlich penibel scheint es dort zuzugehen. Schon ein Satzzeichenfehler im Antrag könne das Einreichen eines neuen, korrigierten Antrages erzwingen, beschreibt er die Situation. Und dann beginnt alles wieder von vorn.

Droniq als Ausrüster des Mobilfunks

Das hindert die Erlanger indes nicht, den Einsatz von Night Fury voranzutreiben. Die Hoffnung ist groß, im nächsten Jahr zwei bis drei Monate unter Realbedingungen zu testen. Doch dafür sind Kooperationspartner nötig, die über das bisherige Netz hinausgehen. „Es muss uns darum gehen, neben der Weiterentwicklung auch Geld dafür zu bekommen“, sagt Raczok ohne Umschweife. Eine Finanzierungsgrundlage muss her, wobei auch von öffentlicher Seite Unterstützung für das Projekt über Fördermittel kommen könnte.

Auf Interesse stößt das Projekt jedenfalls schon, etwa beim Bayerischen Staatsministerium für Digitales. Oder im benachbarten Ausland: Die Österreichische Bundesforste als oberster Waldhüter des Landes ist aufmerksam geworden und hat eine Zusammenarbeit angeboten. Von der Deutschen Telekom hat es jüngst Unterstützung für die Kommunikation durch das Bereitstellen von SIM-Karten für die verschiedenen Mobilfunkbänder gegeben. Damit öffnete sich eine weitere Tür zu einem anderen Partner. Denn die Telekom betreibt zusammen mit der Deutschen Flugsicherung das Gemeinschaftsunternehmen Droniq, das Dienstleistungen für den Drohnen-Flugbetrieb anbietet; sei es für die Industrie, die Energiebranche, den Bau- und Agrarbereich, sei es für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS). Droniq passt also ideal zu Evolonic. Das Joint Venture ist in diesen Tagen offizieller Ausrüster geworden und stellt die Mobilfunk-Kommunikation bereit.

„Wir suchen strategische Partner“, sagt Raczok, der die Arbeitsteilung schon einmal absteckt. Evolonic könne sich auf die Software konzentrieren und diese bereitstellen, der Partner Organisation, Genehmigungsverfahren und Flugdurchführung abdecken. Möglichkeiten und Phantasien einer Kooperation sind kaum Grenzen gesetzt. In Hamburg bietet das Unternehmen Beagle Systems Dienste mit Langstrecken-Drohnen an, in denen Evolonic integriert werden könnte. Denkbar ist, dass das System etwa in eines der Flugobjekte des Drohnen-Herstellers Quantum Systems in Gilching bei München eingebaut wird, wenn die Schnittstelle dafür vorhanden ist. Ja sogar mit Ororatech aus München ließe sich eine komplementäre Zusammenarbeit durchspielen.

Warum nicht auch Ororatech?

Der Hersteller von Kleinsatelliten macht streng genommen das gleiche wie Evolonic, nur etliche Nummern größer: die Detektion von Waldbränden aus dem All. Das satellitengestützte Warnsystem kann großflächige Waldbrände in den entlegensten Regionen der Erde aufspüren oder gute Lagebilder für die Bekämpfung von Feuern erzeugen, wie es auf Rhodos der Fall ist. Evolonic hat seine Stärken wegen seiner niedrigen Flughöhe in der Entdeckung von kleinsten Feuerherden, die aus dem All noch nicht auszumachen sind. Diese Früherkennung erhöht die Chance der Vermeidung von Flächenbränden. Nur im ersten Moment mag es vermessen klingen, worüber Tobias Raczok da laut sinniert, erscheint aber bei näherer Betrachtung konsequent und logisch für ein umfassendes Brand- und Früherkennungskonzept: „Es könnte klug sein, beide Systeme - das von Ororatech und unseres - kombiniert einzusetzen.“

https://evolonic.de/de/startseite/

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