Noch ein Trainingsband. Es wird für die Gründer von Straffr nicht einfach sein, einen Platz im Fitnessmarkt zu finden, der seit Jahren mit Angeboten geflutet wird. Dabei haben sich Stefan Weiss, Hanno Storz und Torben Hellmuth durchaus mit ihrem portablen, elektrisch leitfähigen „Trainingsgerät" - ein Gummiband als zwei Meter langer Sensor - etwas sinnvolles ausgedacht. Und sie sind mit viel Respekt vor Unternehmensgründungen und mit Bedacht ihr Start-Up-Abenteuer eingegangen. Nun folgt der Hochlauf. Sie wissen, dass noch mehr kommen muss als nur ein smartes Band. Wird es auch.
4. April 2022 - Von Rüdiger Köhn, München
Braucht die Welt noch ein Fitnessband, noch ein Trainingsprogramm? Der Freizeitsportmarkt ist voll mit Angeboten für Elastik-, Power- oder Therabänder in unterschiedlichen Farben, die für verschiedene Stärken stehen. Braucht es ein weiteres Gummiband, das so banal und einfach aussieht und dann in seiner Grundversion mit knapp 100 Euro deutlich teurer ist als die einfachen Produkte? Stefan Weiß, Torben Hellmuth und Hanno Storz haben sich das auch gefragt. Sie haben es sich alles reiflich überlegt, haben getestet, geforscht, entwickelt, den Markt beobachtet und analysiert.
Sie sind zum Schluss gekommen: Ja, es ist die Zeit für ein zwei Meter langes Fitnessband aus Silikon mit einer neuartigen integrierten, dehnbaren Sensor-Elektronik zum Workout, das Zugkraft, Frequenz der Übungen und Geschwindigkeit via Bluetooth auf das Smartphone überträgt. Das war 2019. Da haben der Volleyball-, der Handballspieler und der Marathon-Läufer - alle Absolventen der Universität Kassel - Straffr gegründet. Von der ersten Idee bis zur Gründung brauchte es immerhin fünf Jahre. Das allein deutet darauf hin, dass es sich um alles andere als ein simples Trainingsband mit ein paar besonderen Ingredienzien handelt. Es kam die Vorsicht der drei hinzu, ob die Erfindung überhaupt gut für einen Verkaufserfolg ist - gepaart mit einer Ungläubigkeit, warum es so ein smartes Gerät nicht schon längst gibt.
Torben Hellmuth, Stefan Weiß, Hanno Storz (v.l.) Foto Straffr
Bei aller banalen Anmutung, eines ist für Stefan Weiß klar: „Trivial ist das nicht gewesen.“ Das kann er aus jahrelanger Erfahrung berichten. „Das Band muss ja nicht nur leicht und klein zum einfachen Mitnehmen sein“, beschreibt er die Ansprüche. „Es muss aus einer besonderen Kunststoffmixtur bestehen, mit einer Bluetooth-Verbindung und einer Auflademöglichkeit versehen sein, es muss dehnbar sein, als Ganzes als Sensor funktionieren, damit an jeder Stelle die Kräfte gemessen werden können.“
Die Behutsamkeit passt so gar nicht zur Abenteuer-Mentalität mancher Start-Ups. „Wir sind immer mit kühlem Kopf rangegangen“, sagt Weiß. Er und seine Mitgründer haben schließlich die Lösung gefunden. Schon 2016 setzte sich Weiß hin und hat angefangen, ein Patent zu schreiben. Patentwesen habe ihn schon immer interessiert, fand es spannend, eines zu erstellen und zu formulieren. Sein Traum wurde wahr. Das Patent meldeten sie 2021 an; dem ersten vollen Jahr, in dem knapp 3000 Stück via online verkauft worden sind. Sorgen um mangelnde Akzeptanz müssen sie sich erst einmal nicht machen. Weiß rechnet für 2022 mit einem Hochlauf auf das bis zu Dreifache der Verkaufszahlen des Vorjahres, obwohl die Marketingmaschinerie noch gar nicht Fahrt aufgenommen hat.
Zwei Versionen: Blau für 5 bis 15 Kilogramm, Rot für 15 bis 25 Kilogramm Widerstandskraft
Die Idee war es, die Dehnung eines Bandes zu messen, an dem mit großer Kraft gezogen wird. Der erste Gedanke, nämlich so etwas wie eine Kofferwaage zwischen zwei Teile zu klemmen, war schnell verworfen. „Erstens war das ziemlich naheliegend“, beschreibt Weiß die wenig faszinierende Option. Zweitens hätte das Band an einer bestimmten Stelle gegriffen werden müssen; einmal abgesehen davon, dass ein sperriges Messgerät dem Grundprinzip von Straffr widersprochen hätte, nämlich klein und gut transportabel zu sein, notfalls auch in der Hosentasche. Im digitalen Zeitalter von smarten Erfindungen wäre ein solches Gerät ziemlich uncool gewesen und ein Totalflop geworden. Das nun entwickelte Produkt ist ein einiziger Sensor, der überall gegriffen werden kann und an jeder Stelle misst. „Das gab es noch nicht.“
Dazu musste der Kunststoff mit Metall versetzt werden, damit es elektrisch leitfähig ist, um den Widerstand zu erfassen. Die Wirtschaftsingenieure Weiß und Storz, beide 32 Jahre alt, sowie der Elektroingenieur Hellmuth, 31 Jahre, tüftelten an der Mischung des Materials, das für die Leitfähigkeit genügend Metallpartikel enthalten muss; es darf aber nicht zu viel sein, weil sonst die Reißgefahr zu groß ist. Das Band soll schließlich eine Widerstandskraft von 200 bis 300 Prozent aushalten. Bis dato herrschte die Grundmeinung, dass bei Kunststoff allenfalls 10 bis 20 Prozent möglich seien, erläutert Weiß. Sie sprachen mit Experten und Wissenschaftlern, mixten Ingredienzien zu einem Kunststoffmaterial, ließen Bachelor-Arbeiten schreiben, um am Ende das richtige Rezept zu finden. Platine und Mini-Elektronik wurden selber entwickelt Herauskam ein Prototyp, der groß und sperrig, nicht präsentable war, aber funktionierte. Man konnte mit ihm trainieren.
Parallel gingen die Tüftler ihrer regulären Arbeit nach, die sie nach Studienabschluss begonnen hatten. „Dann kam der Punkt, dass alles funktionierte“, erinnert sich Weiß. „Und der Markt hat sich nicht weiterentwickelt, wie wir es erwartet haben.“ Also sahen sie ihre Chance und gingen das Projekt „Straffr“ 2018 konkret an, kündigten ihre Jobs: Stefan Weiß nach zweieinhalb Jahren bei einer Unternehmensberatung; Hanno Storz nach dreidreiviertel Jahren als Cost Engineer (Management von Produkt- und Entwicklungskosten über den Lebenszyklus) beim Autozulieferer Autoliv; Torben Hellmuth nach zweieinhalb Jahren als Softwareingenieur bei Volkswagen. Sie mussten sich also ziemlich sicher sein. Den großen Respekt vor einer Unternehmensgründung haben sie abgelegt, obwohl der Fitnessmarkt mit einer Fülle von Angeboten schon heiß gelaufen war. „Wir wussten ja, dass der extrem überlaufen ist und wir uns dort behaupten müssen“, sagt Weiß.
Die Trend zu teuren, exklusiven und auch ausgefallenen Sportgeräten in der Heimnutzung spielt ihnen in die Karten. Schicke und hippe Ruder- oder Klettergeräte, Fahrradtrainer à la Peloton, Fitnessspiegel sind nicht nur groß und stationär in der Wohnung aufgestellt, sie kosten auch mit mehr als 1000 Euro eine Menge Geld und sind zudem oft mit Monatsabos für Trainingsprogramme verbunden. Damit relativiert sich der Preis von beachtlichen 100 Euro für ein Band, das Straffr auch gerne mit „Personal Trainer to Go“ bewirbt.
Kaum zu glauben, aber wahr: Der erste Prototyp funktionierte tatsächlich.
Die Gründer sehen ihre Chancen darin, dass über den Besuch eines Fitnessbüros hinaus die Lust auf Sport auch zu Hause zunimmt und der Fitness-Boom nicht abbricht. Dazu haben nicht zuletzt die zwei Pandemiejahre beigetragen, in denen Corona zum Verbleib in den eigenen vier Wänden gezwungen hat. Daran dürfte sich für Weiß mit der Rückkehr zu einer gewissen Normalität nicht viel ändern. Er zitiert eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey, wonach fitnessorientierte Menschen nicht nur ins Studio gehen, sondern genauso viel auch in ihrer privaten Umgebung trainieren, ob zu Hause, im Urlaub am Strand oder im Hotel.
In der Tat reifte die Idee von Straffr in einem Hotel, vor etwa acht Jahren. Stefan Weiß machte parallel zum Studium ein Praktikum bei einer Unternehmensberatung; er musste viel reisen, war von früh morgens bis abends unterwegs. Hektik im Job, aber keine sportlichen Aktivitäten, während er sonst gewohnt war, täglich neben dem Studium im Fitnessstudio zu schwitzen. Das fügte dem Sportbegeisterten, der auch mal Volleyball mit ein paar Bundesliga-Einsätzen in Leipzig oder zuletzt in der Regionalliga in Kassel als Leistungssport betrieben hat, mentale Schmerzen in Form von Entbehrungen zu. Abends im Hotelzimmer beschäftigte er sich mit einem Widerstandsband, um wenigstens etwas in Form zu bleiben. Und während er mehr oder minder gelangweilt herumdehnte, fragte er sich, warum man so etwas nicht auch als richtiges Trainingsinstrument nutzen kann, wie man es aus dem Studio kennt.
Der Gedanke ließ ihn nicht los. Früh weihte er Hanno Storz ein, den er im Studium kennenlernte und mit dem er in einer Vierer-WG in Kassel wohnte. Storz, seinerzeit Marathon-Läufer und jemand, der auch mal gerne an die sportlichen Grenzen geht, ließ sich in den Bann ziehen. Richtig Drall bekam das Projekt des intelligenten Gummibandes mit Torben Hellmuth. Ebenfalls an der Uni Kassel, nahm er Weiß einst per Mitfahrgelegenheit nach Frankfurt mit, wo sich beide auf ihr halbjähriges Auslandsstudium in Australien im Zuge eines Austauschprogramms mit der Uni Kassel vorbereiteten. Kaum saßen die beiden im Auto, erzählte Weiß von seiner „coolen Idee“, überzeugte den gerade erst kennengelernten Hellmuth noch während der 200 Kilometer langen Autofahrt. Der Handballspieler, wie die anderen beiden ein bisschen sportverrückt, war sofort dabei und meinte: „Da kann man was machen.“ Hellmuth ist es gewesen, der die elektronische Einheit entwickelt hat. Noch vor dem Abflug nach Australien bastelte das Trio den ersten großen, unförmigen Prototypen. Bis zur Gründung haben sie mehr als 100 Prototypen eigenhändig gefertigt und immer wieder verbessert.
Dass das Band allein nicht zukunftsträchtig für ein Unternehmen, sondern allenfalls die Basis des Geschäftsmodells sein kann, wissen die Gründer nur zu gut. Daher haben auch sie Trainingsprogramme auf ihrer App aufgespielt, mit denen sie Käufer an sich binden wollen. Derzeit sind diese Zusatzangebote kostenlos. Dafür sind zahlreiche bekannte Trainer mit ihren Fitness-Plänen für unterschiedlcihe Bedürfnisse gewonnen. worden. Die Erkenntnis reifte erst nach dem Verkaufsstart Anfang 2021 und wurde nun umgesetzt. Messen und Analyse über die App allein hätte für ein nachhaltiges Konzept nicht gereicht. Zur Einbindung der Kunden muss deren Feedback genauso gehören wie Videos mit Trainings für Beine, Gesäß, Bauch, Brust, Schultern, Arme oder Rücken. Das wird zu einer zunehmend wichtigen Komponente, die Straffr ausbaut. Bis zu einem Life-Training indes dürfte es noch ein längerer Weg sein, ist sich Weiß im Klaren.
Straffes Trio: Hellmuth, Storz und Weiß
Und noch eine Herausforderung ist zu stemmen. Es fehlt das Fun-Erlebnis, das nun einmal dazu gehören muss. Der Fitnessspiegel als Riesenbildschirm (siehe auch "Vaha: Sich den intelligenten Spiegel vorhalten" vom 31. Juli 2021), der schicke, ausgeklügelte Fahrradtrainer oder das elegante Rudergerät mit Wasserbehälter fördern die sportliche Motivation. Erlebnis für das Straffr-Band, denkt sich Weiß, kann mit einem großen TV-Bildschirm erzeugt werden, auf dem visuell attraktiv gestaltet die Performance in Echtzeit abzurufen ist. Das habe man am Anfang unterschätzt, gibt er unumwunden zu. Auf die Dauer ist das Starren auf das kleine Smartphone anstrengend. Erlebnis ist ein Muss. Sonst laufe man Gefahr, dass das smarte Band leicht in der Ecke liegen bleibt - oder gar nicht erst gekauft wird.
Es gibt viele Aufgaben, die Stefan Weiß, Hanno Storz und Torben Hellmuth noch zu bewältigen haben. Kurzfristig sind es Marketing und Vertrieb, die „absolut erfolgsrelevant“ sind, um das große Potential zu heben. In der Außendarstellung müsse zudem vieles getan werden, um zu zeigen, was das Produkt hergebe und den Preisunterschied zu Fitnessbänder für 10 oder 20 Euro allemal rechtfertige. Zur Kommerzialisierung gehört aber auch, mehr als nur ein Produkt anzubieten. Straffr plant ein größeres Portfolio. Das betrifft nicht allein den Ausbau der Trainingsprogramme via App. Es soll noch stärkere Bänder mit mehr Zugwiderstand geben. Für das nächste Jahr ist die Premiere eines neuen Gerätes als sinnvolle Erweiterung geplant. Es ist kein Band. Was es sein wird, verrät Stefan Weiß nicht. Doch Straffr will seinem Prinzip treu bleiben: Es wird portable und leicht sein, es ermöglicht funktionelle Trainings, ist in die App eingebunden. Natürlich wird es smart und, wie Weiß schwärmt, „cool“ sein.
Nur ein paar von einer Fülle von Übungsvorschlägen