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18 Mar

Space Valley ist keine Vision. Dahinter steckt ein höchst vitaler Organismus, der nicht nur aus Forschung in der Luft- und Raumfahrt an der Technischen Universität München (TUM) besteht, sondern auch aus einer emsigen Start-up-Kultur, die in eine etablierte Unternehmenslandschaft mit Airbus oder Ariane Group hineinwächst. 

4. März 2021

Das "Tal" ist indes nicht über eine längliche Ebene wie die des Namensinspirators Silicon Valley gezogen. Space Valley sieht wie eine Triangel aus, deren Verbindungslinien zwischen Garching, Ottobrunn und Oberpfaffenhofen die Landeshauptstadt München einschließen.

In Taufkirchen nahe Ottobrunn haben Daniel Metzler, Markus Brandel und Josef Fleischmann im Jahr 2018 nach Abschluss des Luft- und Raumfahrtstudiums an der TU München Isar Aerospace gegründet. Das Unternehmen will mit kleinen Trägerraketen Hunderte Satelliten ins All schießen.

                                                                                                                                  Foto Airbus

Bülent Altan studierte Raketentechnik an der TUM, machte dort den Ingenieurabschluss und reicherte diesen durch einen Besuch an der Stanford University an. Nach seiner Rückkehr aus Amerika vor fast zwei Jahren leitet er nun als Vorstandschef Mynaric in Gilching/Oberpfaffenhofen. Der börsennotierte Anbieter von Plattformen für lasergestützte Kommunikation am Boden, in der Luft und im Orbit wurde 2012 gegründet, unter anderem von einem TU-Absolventen. Altan, einst Mitentwickler der Falcon-Rakete für SpaceX von Elon Musk, berät Isar Aerospace und war einer der ersten Investoren. 

Und dann gibt es noch die Schar von 85 Studenten aus 29 Ländern, die in Garching eine Kapsel für das Tunneltransportsystem Hyperloop entwickeln und in ihrem kreativen Chaos alle von Elon Musk ausgerichteten Wettbewerbe "Space X Hyperloop Pod Competition" gewonnen haben; zuletzt mit der Rekordgeschwindigkeit von 482 Kilometer in der Stunde. Das hat Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) entzückt - unter dem neuen Namen "Next Prototypes" avancierten die TUMler zum Forschungsprogramm von "Bavaria One". 

Das ist die Initiative des Ministerpräsidenten, um mit einer neuen Fakultät für Luftfahrt, Raumfahrt und Geodäsie (Erdbeobachtung, Satellitennavigation) den Nukleus für ein Zentrum für Luft- und Raumfahrt mit Weltrang zu schaffen. "Sie sind die Gesichter der TU München und des Projektes", bezeichnet Ulrich Walter die Isar-Aerospace-Gründer, die Hyperloop-Studenten und Bülent Altan. Walter ist Professor für Raumfahrttechnik und Inhaber des Lehrstuhls für Luft- und Raumfahrttechnik an der TU München, in Garching vor den Nordtoren der Landeshauptstadt.

                                                                 Ulrich Walter     Foto TUM

Ulrich Walter? Vielen Menschen ist der Raumfahrtexperte als Astronaut bekannt. Er flog im Jahr 1993 in der D-2-Mission an Bord der Columbia ins All, wo er im Spacelab zehn Tage 89 Experimente durchführte. Seit 2003 ist er an der TUM. Walter ist ein Glücksfall für den von der Raumfahrt begeisterten Ministerpräsidenten gewesen. Der suchte - die Landtagswahl im September 2018 vor Augen - nach einer politischen Mission, die sich öffentlichkeitswirksam ausschlachten ließ. 

Der ehemalige Astronaut ist Architekt von Söders "Bavaria One" und hat eine politisch motivierte Idee mit Substanz gefüllt: Erstens sollte die Wirtschaft Raumfahrtprogramme unterstützen; zweitens könnte eine neue Fakultät den Nachwuchs, dessen Fähigkeiten, Wissen und Engagement unterstützen; drittens muss der Öffentlichkeit klargemacht werden, dass die Technologie aus Space Valley einen greifbaren Nutzen für die Menschen auf der Erde haben muss, etwa für die Feld- und Forstwirtschaft oder für den Klimaschutz. Alle von Walter aufgeführten Punkte fanden sich in Söders damaliger Regierungserklärung. Die sorgte ab und an für Spott oder Häme; von "Söderleins Mondfahrt" und "Södersphäre" war die Rede.

Für Wolfgang Herrmann, damals Präsident der TU München, jedenfalls reichte die Regierungserklärung als Rückendeckung, um wenige Wochen später Fakten zu schaffen und so zu tun, als gebe es die neue Fakultät schon. Ulrich Walter, der nun im Cockpit für die Mission des Projektes sitzt, geht es nicht um eine Fahrt zum Erdtrabanten. "Wir wollen keine Menschen auf den Mond oder den Mars schicken", setzt er sich von teuren amerikanischen oder chinesischen Ambitionen ab. "Wir wollen auf die Erde schauen, auf den Boden oder in die Atmosphäre - weg von der klassischen hin zur anwenderorientierten Raumfahrt."

                                                                                                                                                                Foto Ariane Group

Die neue Fakultät hat im Jahr 2019 ihre Arbeit aufgenommen. Rund 1000 Studenten sind heute in neun Studiengängen eingetragen. Peu à peu ziehen mit dem Aufbau die Aktivitäten von Garching nach Ottobrunn/Taufkirchen um, wo einst Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB) saß. Daher wird das entstehende Uni-Gelände Ludwig Bölkow Campus genannt. Seit Jahrzehnten befinden sich dort Teile des europäischen Luftfahrtkonzerns Airbus und des mit Safran betriebenen Raumfahrtunternehmens Ariane Group; direkt benachbart liegt der Ingenieurdienstleister IABG. Die drei Unternehmen sind Industriepartner der Universität. 

Bis der tatsächliche Campus mit einem eigenen Bau auf einem riesigen Gelände von 20 000 bis 30 000 Quadratmetern steht, kann es noch bis Ende dieses Jahrzehnts dauern. Dann sollen 4000 Studierende dort lernen und 55 Professoren forschen. Die noch zu besetzenden 30 Professuren sind schon bewilligt. Am Ende soll das Luft- und Raumfahrtzentrum laut Walter eines der größten der Welt sein - vor allem für die Satellitentechnik als "Spezialität der Deutschen und Europäer". 

Die diversen Start-ups und Unternehmensgründungen im Umfeld der TU München sind die Vorhut. Mynaric war als Vialight Communications GmbH eine Ausgründung aus dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen. Im Westen von München ist so etwas wie eine Start-up-Kultur mit jungen Unternehmen um den Sonderflughafen entstanden, der einst durch den Flugzeugbauer Dornier geprägt war. Nach der Pleite von Fairchild Dornier Anfang des Jahrtausends verfiel der in einen Dornröschenschlaf.

                                             Lilium Jet                                         Foto Rüdiger Köhn

Heute feilt dort das Flugtaxi-Unternehmen Lilium an elektrisch angetriebenen Senkrechtstartern, gegründet von Luft- und Raumfahrtingenieuren der TU München. Unweit davon entwickelt Quantum-Systems vernetzte, von Künstlicher Intelligenz bestimmte Drohnenkonzepte; Mitgründer Florian Seibel ist Luftfahrtingenieur von der Universität der Bundeswehr München. Audeering entstand 2012 als Spin-off der TU München und bietet Verfahren zur Audioanalyse auf Basis emotionaler Künstlicher Intelligenz an, anwendbar einmal  in der Luft- und Raumfahrt. 

Es gibt eine Arbeitsteilung: In Ottobrunn liegt der Fokus auf Raumfahrt, in Oberpfaffenhofen auf Luftfahrt, während Garching die Klammer bildet - noch. Das Gewicht wird sich vom Norden gen Süden und Westen Münchens verlagern. Das Tüftlerteam um Hyperloop will die erste 24 Meter lange Teströhre unter Realbedingungen unweit des Ludwig Bölkow Campus errichten.Ihre vor viereinhalb Jahren gegründete Initiative hat viele Studenten motiviert. 

In nur einem Jahr hat das Team Horyzn ein Drohnenprojekt umgesetzt. TUM Boring entwickelte in wenigen Monaten eine Tunnelbohrmaschine, um sich - analog zu Hyperloop - an einem von Tesla-Gründer Elon Musk ausgeschriebenen Wettbewerb zu beteiligen. Der Amerikaner hat nämlich auch The Boring Company aufgebaut, die einmal die Tunnel für den Hyperloop bohren will. Rund 390 Bewerbungen sind eingegangen. Die Münchner haben es unter die zwölf, von Amerikanern und Briten dominierten Finalisten gebracht, die im Sommer in Kalifornien einen Wettstreit um den Bau eines 30 Meter langen Tunnels austragen.

                         Hyperloop in Bayern                                                        Foto Next Prototypes

Das mag wenig mit hochfliegender Luft- und Raumfahrt zu tun haben. Für Ulrich Walter ist das zweitrangig. "Unabhängig vom Anwendungszweck geht es doch darum, konkrete Probleme und Herausforderungen mit Mitteln zu lösen, die es noch gar nicht gibt", sagt er. "Man muss lernen, was machbar ist und wie man sich durchsetzt." Und wenn es die Beschaffung von Geld und Sponsoren ist. Nur zwei Tage nach Söders "Bavaria One"-Rede haben sich bei Walter die ersten Risikokapitalgeber gemeldet. "Die Venture Capitalists fühlten sich magisch angezogen."

In der Zwischenzeit sind es immer mehr geworden, Neben Bülent Altan oder Frank Thelen engagieren sich Earlybird, Munich Venture Partners, Osborne Clarke, Vito Ventures, Mig Fonds oder BayBG. Indirekt mischt natürlich die TU München mit, ist der Gründerfonds UnternehmerTUM eng mit ihr verbandelt. Hinter ihm steht BMW-Erbin Susanne Klatten. Sie ist nicht nur Financier, sondern auch Aufsichtsratsvorsitzende der nicht gewinnorientierten Organisation.

                                                                                                                                       Foto Isar Aerospace

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